Schmerzen

Seite 4 von 4

Die Requisiten der medizinischen Behandlung können in die Hypnose eingebaut werden und ihre Wirkung noch verstärken: Das OP-Licht suggeriert Sonnenschein, der Speichelsauger Meeresrauschen, und die Abdecktücher täuschen sommerliche Wärme vor. Hermes: "Auf diese Weise kommt es zu einer völligen Umdeutung der Situation. Einem Patienten, dem wir während einer Behandlung 17 Zähne gezogen haben, war in der Hypnose so mit seinem letzten Türkeiurlaub beschäftigt, dass er nicht bemerkte, wie wir mit Zangen und Fräsen in seinem
Mund gearbeitet haben."
Viele Patienten können sich nicht oder nur schemenhaft an die Behandlung erinnern. Dabei sind die Betroffenen während der Trance nicht narkotisiert oder gar willenlos. Ganz im Gegenteil: "Gegen seinen Willen kann niemand hypnotisiert werden, alles geschieht in gegenseitigem
Einvernehmen. Der Patient ist während der Hypnose wach, ansprechbar und kann aktiv in die Behandlung einbezogen werden. Außerdem ist er jederzeit in der Lage, seine Augen aufzuschlagen und die Trance abzubrechen." Wichtig sei, so Hermes, in ausführlichen Vorgesprächen den Patienten auf Hypnose und Behandlung vorzubereiten.

Der erste Patient, der in der Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie unter Hypnose behandelt wurde, war Hermes selbst. Seine Kollegen entfernten ihm in einem 80minütigen Eingriff zwei im Kiefer verlagerte Weisheitszähne und führten eine Wurzelspitzenresektion an einem oberen Backenzahn durch. "Es war sehr angenehm, selbst kurzzeitig auftretende Schmerzen haben mich nicht gestört. In Trance war ich Segeln und fühlte mich entspannt und distanziert von dem, was gerade mit mir geschah."

Anfangs wurden an der Lübecker Uniklinik bevorzugt chirurgische Zahnsanierungen unter Hypnose durchgeführt. Doch das Spektrum hat sich schnell erweitert: So werden nach einem Kieferbruch im Gebiss verankerte Drahtschienen in Trance wesentlich schonender wieder entfernt. Auch der Verschluss von Luftröhrenschnitten erweist sich unter Hypnose als weniger belastend für den Patienten. Und selbst ausgedehnte
Tumoroperationen, in dessen Folge Gesichtshaut "verlegt" werden musste, wurden bereits mit nur niedrig dosierter örtlicher Betäubung unter Hypnose ausgeführt. Die bisher längste Lübecker Hypnose-OP dauerte zweieinviertel Stunden.

Um den, so Hermes, "klinisch eindeutig sichtbaren" Nutzen der Hypnose in der Kiefer- und Gesichtschirurgie auch wissenschaftlich zu belegen, werden in Lübeck jetzt zwei Studien aufgelegt: In der ersten Untersuchung werden Zahnbehandlungen unter örtlicher Betäubung verglichen, die teils mit und teils ohne Hypnose durchgeführt wurden. Die zweite Studie geht der Frage nach, ob Hypnose sich günstig auf den Heilungsverlauf auswirkt, die Kieferschwellung etwa geringer ist und der Schmerzmittelgebrauch sinkt.

Quelle: www.uni-protokolle.de

 

start zurück eins zwei drei